Was die Forschung über Kumbhaka verrät

Der Atem – eine Selbstverständlichkeit, die wir kaum bewusst wahrnehmen. Doch das gezielte Anhalten des Atems, bekannt als Kumbhaka im Yoga oder als Praxis beim Apnoe-Tauchen, birgt eine Fülle an faszinierenden Effekten, die die moderne Forschung zunehmend entschlüsselt. Es geht weit über eine einfache Pause hinaus und kann sowohl körperliche als auch geistige Prozesse tiefgreifend beeinflussen.

Wie reagiert der Körper auf Atempausen? Physiologische Effekte unter der Lupe

Wenn wir den Atem anhalten, versetzen wir unseren Körper bewusst in einen Zustand der intermittierenden Hypoxie (vorübergehender Sauerstoffmangel) und der Hyperkapnie (Anstieg von Kohlendioxid). Diese scheinbar herausfordernden Bedingungen lösen erstaunliche Anpassungsmechanismen aus:

  1. Optimierte Sauerstoffversorgung: Paradoxerweise kann das Anhalten des Atems die Sauerstoffsättigung im Gewebe erhöhen. Der Schlüssel liegt im Bohr-Effekt: Ein höherer CO₂-Spiegel im Blut verbessert die Abgabe von Sauerstoff vom Hämoglobin an die Zellen. Dies kann die Effizienz der Zellfunktion steigern und die Toleranz gegenüber Sauerstoffmangel verbessern.
  2. Natürliches „Doping“ durch EPO: Ähnlich dem Höhentraining kann kontrollierte Hypoxie die Produktion von Erythropoetin (EPO) anregen. Dieses Hormon stimuliert die Bildung roter Blutkörperchen, was die Sauerstofftransportkapazität des Blutes und somit die körperliche Leistungsfähigkeit verbessern kann.
  3. Gefäßgesundheit durch Stickstoffmonoxid: Der Anstieg von CO₂ und Hypoxie können die Synthese von Stickstoffmonoxid (NO) fördern. NO ist ein essentieller Vasodilatator, der die Blutgefäße erweitert, den Blutdruck reguliert und die Durchblutung optimiert – ein wichtiger Faktor für die Herz-Kreislauf-Gesundheit.
  4. Der Tauchreflex: Beim längeren Atemanhalten wird der sogenannte Tauchreflex aktiviert. Die Herzfrequenz verlangsamt sich (Bradykardie), und die Durchblutung der Extremitäten wird reduziert, um Sauerstoff für lebenswichtige Organe wie Herz und Gehirn zu sparen. Ein faszinierender Überlebensmechanismus, der intensiv erforscht wird.

Mehr als nur Luft anhalten: Neurologische und psychologische Auswirkungen

Über die körperlichen Anpassungen hinaus beeinflussen Atempausen auch unser Nervensystem und unseren Geist maßgeblich:

  1. Beruhigung des Nervensystems: Bewusstes Atemanhalten, insbesondere nach der Ausatmung, aktiviert das parasympathische Nervensystem. Dies ist unser „Ruhe-und-Verdauungs“-Modus, der Stress abbaut, Ängste lindert und eine tiefe Entspannung fördert.
  2. Gesteigerte Konzentration und Achtsamkeit: Das Fokussieren auf den Atem und die Atempause erfordert und schult Achtsamkeit und geistige Präsenz. Es kann den unaufhörlichen Gedankenfluss kurzzeitig unterbrechen und so zu mehr geistiger Klarheit führen.
  3. Veränderung der Gehirnwellen: Erste Studien deuten darauf hin, dass gezielte Atemtechniken die Gehirnwellenmuster positiv beeinflussen und die Neuroplastizität fördern können. Dies könnte dazu beitragen, alte Verhaltensmuster zu durchbrechen und neue Denkweisen zu etablieren.

 

Wichtiger Hinweis: Achtsamkeit und Sicherheit zuerst!

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse über Kumbhaka sind vielversprechend, aber es ist entscheidend, diese Praxis mit Respekt und Vorsicht anzugehen. Unkontrolliertes oder übermäßiges Atemanhalten kann Risiken bergen. Personen mit Vorerkrankungen wie Herz-Kreislauf-Problemen, Atemwegserkrankungen (Asthma), Glaukom oder Epilepsie sollten Atemtechniken wie Kumbhaka ausschließlich nach ärztlicher Rücksprache und unter Anleitung eines erfahrenen Lehrers praktizieren.

Die Erforschung des Atemanhaltens steht noch am Anfang, doch die bisherigen Erkenntnisse zeigen deutlich: In unserem Atem liegt ein ungenutztes Potenzial für Gesundheit und Wohlbefinden, das es sich lohnt, bewusst zu erkunden.

 

Namaste,

Thomas

inRelax® – Yoga und Workshops in Krefeld